Sie fanden sich auf einer kleinen, kreisrunden Waldlichtung wieder, als sie ein dumpfes Quietschen zusammenzucken ließ. Erschrocken fuhren beide herum und sahen gerade noch, wie sich das Loch durch das sie hierher gelangt waren im Waldboden schloss.
"Du Mike, wie kommen wir nur wieder hier raus?", fragte Babs ängstlich. Der meinte: "Lass uns erst mal den Dämon finden, dann überlegen wir weiter!" Da fiel Mike ein rötlicher Schimmer auf, der von einem Felsen auszugehen schien. Er folgte dem Leuchten und fand einen Brief auf schwerem Pergament.Das leuchtende, in rotes Wachs gedrückte Siegel zeigte ein Schloss, um das viele Tannen herumstanden. Die Fahne auf den Zinnen zierte eine Dose, die sich schwarz färbte, als Mike sie betrachtete. Dann hielt er Babs den Brief hin. Die meinte: "Das muss das Siegel des Dämons sein, in diesem Schloss wohnt er wahrscheinlich. Mal seh'n an wen der adressiert ist."
Da auf dem Brief nirgends eine Adresse stand, öffnete Babs ihn vorsichtig mit ihrem Taschenmesser. Sie überflog die Zeilen und las dann laut vor:

An
Apiceto ilef Putschem, Magier des Dschinen-Königs

Lieber Freund,

Drei Kinder befreiten mich aus der Dose, in der mich der alte chinesische Zauberer steckte, einem von ihnen habe ich seiner Lebenskraft geraubt, um hierher zurückkehren zu können. Ich schreibe Dir diese Nachricht, dass Du dem König ausrichten kannst, ich sei auf dem Weg zurück in mein Schloss und werde ihm alsbald wieder zu Diensten sein.

Dein Futschie ibn al Abrademis
Stadthalter, General und Herzog des Königs der Dschinen

"Mensch, Mike! Du hast einen Brief des Dämons an den Magier des Dschinnenherrschers gefunden!", freute sich Babs. Mike verstaute den Brief in seiner Jackentasche und meinte: "Jetzt wissen wir wenigstens, wo wir den Dämon suchen müssen."
"Wir müssen aber zuerst das Schloss suchen.", wandte Babs ein. Sie folgten einem kleinen, überwachsenen Waldpfad und gelangten nach einer Weile aus dem Wald heraus auf eine schöne, grüne Wiese. Babs stieg auf einen Baum und sah in der ferne Rauchschwaden. Die beiden Freunde beschlossen, in die Richtung der Schwaden zu wandern. Bald bot sich den beiden ein grauenhafter Anblick: abgebrannte Hütten, verwüstete Felder, überall tote Tiere, nirgends sah man Menschen und ein beißender Verwesungsgeruch hing in der Luft. Sie kehrten dem, das einmal ein Dorf gewesen war, den Rücken zu. Dann fanden sie eine Hütte, die etwas außerhalb stand und nicht abgebrannt war und beschlossen dort zu nächtigen. Aber als sie durch die kaputte Tür treten wollten, fragte eine ruhige Stimme: "Wer seid ihr und was wollt ihr hier?"
Verdutzt drehten sich beide herum und blickten ihn ein ernstes, etwa 12 Jahre altes Jungengesicht. Babs fasste sich zuerst: "Ich heiße Ann-Barbara, genannt Babs und das ist mein Freund Mike, eigentlich Michael. Wir suchen das Schloss des Futschi ibn al Abrademis, um ihm eines seiner Besitztümer zu entwenden, denn nur so können wir unseren Freund Chris retten, den er seiner Lebenskraft beraubt hat. Und wer bist du?"
"Ich bin Felin und lebe mit meiner Schwester Lilith und meiner Mutter Yamina in dieser Hütte, seit der Geisterkönig unser Dorf verwüsten ließ. Sie verwandelten meinen Vater, den Bürgermeister zu Stein und nahmen alle anderen mit. Wir drei blieben verschont, weil wir uns versteckt hatten." Felin führte seine beiden Begleiter zu einer einfachen Hütte, vor der eine Frau saß und Mehl mahlte.
"Das ist meine Mutter, Lilith ist zur einer Quelle gegangen, um Wasser zu holen, Vater liegt auf einem Bett in der Hütte und ich war im Dorf um nach Eßbarem zu suchen." Dann stellte Felin seiner Mutter die beiden Gäste vor und meinte: "Ihr seid sicher hungrig und habt Durst. Ich hole euch etwas." Bald standen vor jedem der Freunde ein Becher klares Quellwasser, ein Teller dampfender Suppe, dazu gab es frisches Brot, kalten Braten und zum Nachtisch eingemachte Kirschen mit Quark. Felins Mutter machte unterdessen zwei Lager aus Moos und Gras und legte ein Leinentuch darüber. Am Abend versammelten sich alle um die Feuerstelle im größeren der beiden Räume und die beiden erzählten ihre Geschichte. Die anderen hörten schweigend zu und selbst Felins kleine 8-jährige Schwester unterbrach kein einziges Mal. Dann wandte sich Yamina an die beiden Freunde: "Ihr wundert euch sicher, warum wir euch so ähnlich sind, wir haben die gleiche Hautfarbe und sprechen die gleiche Sprache wie ihr. Dann werdet ihr euch sicherlich fragen, weshalb wir hier in der Welt der Geister und des Bösen leben. Ich will euch die Geschichte erzählen, wie und warum wir hierher gekommen sind."

DIE GESCHICHTE YAMINAS UND IHRER VORFAHREN

Vor langer Zeit, als es das Böse noch nicht gegeben hatte, waren alle Menschen gut und lebten im Einklang mit der Natur, ihren Tieren und Pflanzen, jeder nahm sich nur so viel, wie er und seine Familie brauchten. Eines Tages gebar Imurza, Mutter von vier Töchtern (Lukaite, Amirkasi, Muniang und Somradin) von ihrem Mann Jafander Zwillinge: Inusef und Martayo. Um die beiden nicht zu verwechseln, wurde Inusef ein Bändchen um den Arm gebunden. Je älter sie wurden, desto verschiedener wurden sie. Inusef war wild und ungestüm, während sein Bruder Martayo ein ruhiger, besonnener Junge war. Eines Tages kam ein Fremder in Vater Jafanders Haus, dort wurde er bewirtet und übernachtete, denn so sah es das Gastrecht vor. Als ihm der stolze Vater seine beiden Söhne zeigte, fragte der Fremde: "Wer von den beiden ist den dein Erstgeborener?" Jafander gab zu, es nicht zu wissen. Der Mann fragte: "Und was willst du tun, wenn du einen deiner Söhne bestimmen musst, der euch im Alter versorgt oder dir den Hof führt, wenn du es nicht mehr kannst?" Nach diesen Worten ging der Mann und niemand sah ihn je wieder.
Doch von nun an mochten sich die beiden Brüder nicht mehr. Jeder wollte der Erstgeborene sein, doch der Vater gab auf die drängenden Fragen keine Antwort. Als es ihm zu viel wurde, bestimmte er kurzum Martayo zu seinem Erstgeborenen. Inusef war jedoch wütend und tötete seinen Bruder.
Der traurige Vater verfluchte Inusef und zwang ihn, ab sofort, in der Welt der Geister zu leben. Seine Schwester Lukaite, die ihn sehr lieb hatte, bat beim Vater für ihren Bruder. Doch Jafander verbannte erbost auch Lukaite in die Geisterwelt. Inusef heiratete Jokasin, die Tochter des Geisterkönigs und lebte mit ihr in einem kleinen Dorf. Lukaite heiratete den Geisterprinzen Joparos, und wurde Königin. Das waren unsere Ahnen. Nach der Geburt ihres Sohnes starb sie und das ganze Reich trauerte. Als der König starb, wurden die Nachfahren Inusefs und Lukaites verfolgt und bekamen ein kleines Dorf, wo sie wie Geächtete lebten.

Hier machte Yamina eine Pause und Felin sprach weiter: "Der jetzige König brannte das Dorf nieder und verschleppte alle Einwohner bis auf uns." Nach dieser langen Geschichte gingen alle erschöpft ins Bett. Am anderen Morgen fragte Felin, ob die beiden Freunde den Weg zum Schloss des Dämons wüssten. Als die beiden dies verneinten, entschied er, mit zu kommen. Man beschloss den Tag zum Vorbereiten zu nutzen und am nächsten Morgen zeitig aufzubrechen. Nach einem reichhaltigen Abendessen ging man zeitig ins Bett. Am nächsten Morgen packte Yamina die beiden Rucksäcke mit Proviant voll, dann nahm man Abschied. Die (inzwischen 3) Freunde folgten einem verschlungenen, kleinen Waldpfad. Nach einer Weile zeigte sich, dass es klug gewesen war, Felin mitgenommen zu haben, denn der Wald war so dunkel und groß, dass Babs und Mike hoffnungslos verloren gewesen wären. Plötzlich lichtete sich der Wald und die Drei standen von einem riesenhaften Schloss, das ganz und gar aus schwarzem Marmor gebaut war. Es hatte dicke Mauern, bis in die Wolken ragende Türme und glich eher einer Burg als einem Schloss.
Während Felin auf eine hohe Tanne kletterte um zu sehen, welche gemeinen Verteidigungsanlagen das Schloss außer den Mauern noch hatte. Felin kletterte unverrichteter Dinge wieder herunter, da die Mauern komischer Weise größer wurden, je höher man stand. Dabei passierte es, dass Felin strauchelte und vom Baum hinunter fiel. Als er sich wieder aufrichten wollte, sah er ein klitzerndes Etwas hinter einem Stein. Er folgte dem rötlichen Schimmer und fand einen goldenen Siegelring, der in blank poliertes Elfenbein eingelegt war. Das Siegel zeigte ein Schloss, das von vielen Bäumen umrahmt war. Als Babs das Siegel sah, rief sie aus: " Mike, komm mal her, ich glaub' Felin hat den Siegelring des Dämons gefunden."
Mike holte den Brief aus seiner Jacke und meinte: "Das Siegel auf dem Brief ist das gleiche wie auf dem Ring und der zeigt dieses Schloss. Hier wohnt der Dämon. Er muss den Brief an den Magier auf dem Weg in sein Schloss geschrieben und dann verloren haben. Den Ring wahrscheinlich auch. Wir müssen jetzt aber in das Schloss und einen Gegenstand holen."
Felin meinte: "Ihr sollt doch etwas vom Besitz des Dämons finden und der Dose übergeben. Jetzt haben wir den Ring und der gehört dem Dämon, wir müssen gar nicht in das Schloss sondern ihr könnt gleich zurück zu eurem Freund. Aber ich habe noch eine Bitte: Ihr müsst zurück zur Dose und wisst nicht wie, einer von euch muss den Ring anziehen und den anderen festhalten dann müsst ihr den Ring reiben und dann sagen, wohin ihr wollt. Könnt ihr das Amulett meines Vaters mitnehmen und zusammen mit dem Ring in die Dose legen. Denn, wenn der Dämon in zur Dose zurückkehrt, wird mein Vater wieder lebendig."
"Aber wie sollen wir den zurück zu Chris, wenn der Dämon uns verfolgt?", fragte Babs ängstlich. Doch Felin zerstreute alle Bedenken, indem er sagte: "Der Dämon kann euch nicht folgen, denn in dem Ring liegen alle seine Kräfte. Ihr habt Glück gehabt, dass wir den Ring gefunden haben."
Nach diesen Worten steckte Babs den Ring an ihren Finger, drehte daran und wünschte sich und die beiden Freunde zu Felins Dorf. Dort verabschiedeten sich Babs und Maik von Yamina und Lilith, nahmen das Amulett von Felins Vater und wünschten sich zurück zu Chris und der Dose. Dort angekommen, übergaben sie ihr Ring und Amulett, gingen erwartungsvoll ein paar Schritte zurück und ließen sich überraschen.
Der Dämon ließ nicht lange auf sich warten: Mit großem Getöse kam eine große, schwarze Rauchwolke und wurde in die Dose hineingezogen. Kaum war der Dämon in der Dose, erwachte Chris wieder zum Leben. Er schaute sich zwar etwas verdutzt um, aber er schien ganz gut bei einander zu sein. Die Drei schulterten ihre Rucksäcke und machten sich wieder auf den Weg durch den Wald. Nach ungefähr zehn Minuten kamen sie am Parkplatz an, wo der Bus und der Rest der Klasse warteten. Komischerweise waren sie nicht mehr als 10 Minuten langsamer als die Klasse. Die Drei rätselten während der Busfahrt, wie es sein konnte, dass der Zeitunterschied so klein war. Babs kam schließlich zu dem Ergebnis, dass die Zeit während sie mit Mike in der Geisterwelt war.