4. Fortsetzung von  Kathrin Daube

     
Plötzlich flammte neben ihnen ein Licht auf. Erschreckt blieben Tamara und Nik stehen. Da setzte sich das Licht auf Tamaras Schulter.
Als Tamara richtig hinsah, erkannte sie, dass es eine kleine Fee war.
Sie lächelte und sagte: "Komm mit, ich zeige dir etwas." Sie schwebte vor Tamara her.
Nik und Tamara folgten ihr über den Schlosshof. An der hinteren Mauer gab es eine Treppe hinunter, die vorher noch niemand bemerkt hatte. Die Treppe ging steil hinunter und unten war eine Tür.
"Um sie zu öffnen brauchst du den dritten goldenen Schlüssel", erklärte die Fee. Nik holte ihn unter dem Hemd hervor und probierte ... die Tür sprang knarrend auf und dahinter lag ein dunkler Geheimgang. Vorsichtig betraten die Freunde den Gang und es war ihnen sehr unheimlich.
"Lumos", flüsterte die Fee und hielt auf einmal eine goldene Fackel in der Hand.
"So", sagte die kleine Fee, "ganz hinten im Geheimgang ist eine Bibliothek. Dort werdet ihr auf ein Gespenst stoßen. Das müsst ihr besiegen, um das sprechende Buch zu finden. Wenn ihr das schafft, schlagt das Buch auf. Es wird euch dann den Zauberspruch verraten, mit dem ihr den vierten Schlüssel herbeizaubern könnt."
Die Freunde waren über die Hilfe der Fee sehr froh und gingen mit der Fackel weiter in den Gang.
Plötzlich erhob sich vor ihnen ein Geist. Er war durchsichtig und hatte eine rostige Kette, mit der er fürchterlich rasselte. Obwohl Nik und Tamara ja von dem Gespenst wussten, erschraken sie sehr.
Das Gespenst sprach mit Bassstimme: "Schon wieder zwei Eindringlinge. Ihr müsst mit mir spielen. Das ist ganz fürchterlich, denn wenn ich gewinne, werdet ihr Fabelwesen und für immer hier eingesperrt. Gewinnt ihr aber, das ist noch nie passiert, bekommt ihr zur Belohnung das sprechende Buch. Los, kommt mit, ihr zwei Menschenkinder!"
Das Gespenst führte sie in die Bibliothek und die Freunde schauten sich um. Sie waren in einer riesigen Höhle und um sie herum war der ganze Raum bis unter die Decke mit Regalen vollgestellt. In der Mitte des Raumes lag ein Riesenwürfel auf dem Boden.
"Wir würfeln", donnerte das Gespenst, "denn das kann ich am Besten. Es geht sofort los."
Mit einer Handbewegung ließ das Gespenst den Würfel hochschweben und drehte ihn rasend schnell in der Luft. Dann ließ es den Würfel wieder herabsausen und schaute nach: oben lag eine Fünf.
"Oh, heute ist mein Glückstag!", jubelte das Gespenst. "Eine Fünf ist nicht zu schlagen."
Tamara und Nik schauten sich an. Wie sollten sie den schweren Würfel überhaupt bewegen? Plötzlich saß die kleine Fee wieder auf Tamaras Schulter. "Es ist ganz einfach", flüsterte sie in Tamaras Ohr. "Du muss ihn dir nur leicht wünschen."
Tamara wünschte sich dies ganz fest und siehe da, der Würfel begann zu schweben und sich zu drehen. Dann sauste er auf den Boden und zeigte ... eine Sechs.
"Das ist gemogelt!", schrie das Gespenst. "Noch mal!" Aber so oft sie auch würfelten, immer verlor das Gespenst. Die Kinder verlangten nun, dass es sein Versprechen auch einhielt. Nur widerwillig schwebte das Gespenst in die dritte Bücherreihe oben links und holte ein laut schimpfendes Buch hervor. Das Buch beschimpfte das Gespenst und wollte wieder zurück in das Regal gestellt werden. Das Gespenst aber legte Nik das Buch vor die Füße und machte sich aus dem Staub.
"Denk bloß nicht, dass ich dir den Zauberspruch verrate", schimpfte das Buch.
"Den wollen wir sowieso nicht wissen", sagte Tamara. "Wir brauchen dich nur für unser Feuer." Vor lauter Schreck darüber klappte das Buch auf. Sofort ertönte eine liebliche Stimme, die sagte:
"Das Buch ist klug, das Buch ist klug,
nachts gibt es einen Spuk.
Hokuspokus Fidibus,
der vierte Schlüssel, hervorikus."
Mit einem "PLING" hielt Tamara den Schlüssel in der Hand. Auf einmal sahen sie im hinteren Teil der Höhle eine Tür. Sie rannten darauf zu und Tamara steckte den Schlüssel in das Schloss. Er passte.
Erleichtert berührten Nik und Tamara die Klinke und wie von Geisterhand geführt fanden sie sich schon im selben Augenblick in der Eingangshalle des verwunschenen Hauses wieder.
"Da seid ihr ja endlich", empfing sie der alte Zipfelmützenmann erleichtert. "Ihr wart lange fort." Und wie zur Bestätigung seiner Worte setzte das mahnende Glockenschlagen wieder ein - die vierte Stunde war verstrichen.
"Aber wie ich sehe, habt ihr das Buch mitgebracht. Dann lasst uns schnell nachlesen, wie der Fluch zu bannen und dieser Dämon zu vertreiben ist." Aufgeregt wollte er nach dem geheimnisvollen Buch greifen, als dieses auch schon fürchterlich zu kreischen anfing: "Finger weg, du Schießbudenfigur! Wage es nicht, mich anzufassen. Ich denke nicht im Traum daran, euch zu helfen. Bringt mich gefälligst wieder zurück in mein gemütliches Regal."
Erschrocken zuckte der Zipfelmützenmann zurück und Tamara und Nik konnten sich beim Anblick seines verdutzten Gesichtes ein Lachen nicht verkneifen. "Was kichert ihr so dämlich?", fauchte sie das Buch sofort böse an. "Ich will nach Hause ..."
"Wir wollen auch nach Hause, das kannst du mir glauben", unterbrach Nik das Gejammer. "Aber wir können es nur mit deiner Hilfe. Also: eine Hand wäscht die andere. Wenn du uns hilfst, den Fluch von diesem Haus zu nehmen, helfen wir dir, wieder in dein Regal zu kommen."
Einige Sekunden lang grummelte das Buch noch leise vor sich hin, dann öffnete es sich langsam und eine liebliche Stimme ertönte:

"Willst du den Fluch des Dämons brechen,
musst du die Zauberformel sprechen,
die aus der Elemente Kraft
ein unbezwingbar Werkzeug schafft.
Berühret von der dunklen Nacht,
versponnen durch der Zeiten Macht,
wird es den Dämon schnell bezwingen
und dir den Frieden wiederbringen."

Das Buch klappte leise zu und ließ die drei Zuhörer verdattert zurück.
"Tut mir leid", stammelte Tamara, "aber ich habe kein Wort davon kapiert." Verzweifelt blickte sie auf Nik und den Alten, doch auch in ihren Gesichtern fand sie kein Verstehen.
"Meine Güte, seid ihr schwer von Begriff", schimpfte das Buch aufgebracht los. "Das ist doch ganz einfach. Aber nachdem ihr anscheinend nicht allzu viel Grips besitzt, gehen wir eben Schritt für Schritt vor." Erneut klappte es auf und die liebliche Stimme fuhr erklärend fort:

"Es gibt der Elemente vier,
das erste davon brauchen wir.
Das Feuer ist's, und zum Entfachen
bringt mir die Spucke eines Drachen."

Nik und Tamara sahen sich ungläubig an. "Drachenspucke? Wir sollen tatsächlich Drachenspucke bringen?"
"Endlich habt ihr begriffen", maulte das Buch, das sich mit einem empörten Knall wieder geschlossen hatte. "Und beeilt euch gefälligst. Die Spucke muss noch glühen, sonst wirkt sie nämlich nicht!"
"Dann macht euch schnell auf den Weg", empfahl der Zipfelmützenmann und deutete dabei auf eine der verbliebenen Türen. "Ich suche inzwischen das passende Schloss für den vierten Schlüssel und ihr vergesst bitte nicht, den fünften mitzubringen."
Nik und Tamara öffneten mit ungutem Gefühl die Tür. Ein Schwall heißer Luft umfing sie und rotglühendes Feuer bedeckte züngelnd den Weg zu ihren Füßen ...




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