5. Fortsetzung von
Andreas Wiebe und Kathrin Daube

     
Plötzlich erschien die Fee wieder und sprach: "Hier, Tamara, nimm diese zwei Eisbonbons und lutsche eines davon." Tamara steckte sich ein Eisbonbon in den Mund. Plötzlich war ihr nicht mehr heiß, sondern kühl. Sie gab Nik das zweite Bonbon.
"Jetzt könnt ihr durch das Feuer gehen, ohne dass ihr euch verbrennt." Sie verschwand. Nik machte einen Schritt ins Feuer. Die Flammen machten ihm den Weg frei.
Tamara und Nik gingen weiter und kamen zu einem glühenden Lavasee. Es brodelte und rauchte und die Luft flimmerte vor Hitze. Sie schauten gebannt zu, und plötzlich erschien mitten aus der Lava ein Kopf. Ein Feuerteufel schwamm vergnügt im Kreis und fragte sie: "Wollt ihr mich besuchen? Da freue ich mich aber."
"Nein", sagte Nik. "Wir sind auf der Suche nach einem Drachen."
"Ihr meint doch wohl nicht etwa diesen bösen, gefährlichen, stinkenden und gemeinen Drachen, der in der alten Drachenhöhle haust? Ich rate euch dringend davon ab, dahin zu gehen, denn es ist sehr gefährlich. Der Drache verspeist euch zum Frühstück", sagte er hinterhältig. Sofort erschien die Fee wieder auf Tamaras Schulter und flüsterte ihr ins Ohr: "Der lügt, dass sich die Balken biegen. Habt keine Angst, ihr schafft das schon, geht ruhig weiter."
Damit verschwand die Fee und der Feuerteufel, der das gehört hatte, keifte hinter den Kindern her: "Geht doch, geht doch. Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt."
Die Kinder gingen vorsichtig lange Gänge entlang und die Flammen an der Decke beleuchteten gespenstisch ihren Weg. Nach einer Weile kamen sie an eine Kreuzung und an dem linken Höhlenweg stand ein alter verblasster Wegweiser, auf dem stand: ZUR ALTEN DRACHENHÖHLE. Nik und Tamara war ganz bange. Sie schlichen langsam und leise immer weiter, bis sie schließlich vor einem Höhleneingang standen. Aus der Höhle kam ein fürchterliches Geräusch und die Kinder trauten sich nicht weiter.
"Oh, Nik", flüsterte Tamara. "Ich habe Angst. Was machen wir jetzt?"
"Es hilft nichts", flüsterte Nik zurück. "Wir brauchen Drachenspucke, wir müssen da rein."
Er schlich ein paar Schritte vorwärts und achtete darauf, kein Geräusch zu machen. Tamara kam hinter ihm her. Je weiter sie sich hineintrauten, desto lauter wurde das Geräusch.
"Du, ich glaube, das ist der Drache, der schnarcht", wisperte Tamara. "Das ist gut, dann können wir uns zuerst umsehen", sagte Nik. Als sie um die letzte Ecke kamen, sahen sie die Drachenhöhle vor sich. Es war eine schöne Höhle, denn sie leuchtete in einem rot- und orangefarbenen Licht.
An den Wänden hingen Teppiche und Bilder. Von der Decke hing ein riesiger Leuchter, auf dem viele Kerzen brannten. Mitten in der Höhle aber war ein großer Berg, der aus lauter Edelsteinen, Perlen, Ringen, goldenen Tellern und Schüsseln, Ketten und Armreifen und mit wertvollen Steinen besetzten Kronen bestand. Aber oben auf dem Berg lag der Drache.
"Tamara, schau dir diesen Drachen an. Der ist ja klein, uralt, verschrumpelt und höchstens so groß wie ein Dackel", staunte Nik. Der Drache sah wirklich ganz unschrecklich aus. Seine Schuppen waren klein und eingezogen, unter dem Körper waren nur kleine krumme Dackelbeinchen. Da Nik vor lauter Aufregung lauter gesprochen hatte, erwachte der Drache und erschrak ganz fürchterlich.
"Oh nein, schon wieder Drachentöter! Bitte, tut mir nichts. Ich will auch ganz brav sein!"
"Wir sind nur auf der Suche nach glühender Drachenspucke", sagte Tamara.
"Ach", jammerte der Drache, "ich kann schon lange kein Feuer mehr speien, dadurch werde ich jedes Jahr ein wenig kleiner. Meine Zähne sind alle ausgefallen und ich kann nur schlecht sehen." Während er sprach sabberte er kalte Spucke auf den Boden. Der Drache erzählte ihnen vom Geheimnis aller Drachen: Feuerspucken kann ein Drache nämlich nur, wenn er wütend ist. Aber ihm fehlte seit Jahren die Kraft, sich auch nur aufzuregen.
Die Kinder hatten Mitleid und boten ihre Hilfe an. Aber wie macht man einen Drachen wütend? Nik versuchte es mit Beleidigen, aber der Drache lächelte nur und sagte immer wieder: "Darüber rege ich mich schon lange nicht mehr auf." Tamara zog den Drachen kräftig am Schwanz, aber das fand er sehr lustig. Die Kinder hatten keine Idee mehr, was sie noch machen sollten. Da erschien die kleine Fee wieder und schenkte den Kindern Peperoni. Da der Drache keine Zähne mehr hatte, kramte Nik in seiner Hosentasche, fand ein Taschenmesser und schnitt die Peperoni in winzig kleine Stückchen. Damit fütterten sie den Drachen. Der Drache bekam einen Hustenanfall und auf einmal kam ein großer Feuerstrahl aus seinem Rachen. Der Drache war total begeistert und tollte wie wild durch die Höhle.
"Das ist ja herrlich! Es geht wieder! Vielleicht wachse ich auch wieder. Aber wie kann ich euch jetzt helfen? Sucht ihr nicht zufällig nach einem goldenen Schlüssel? Ich weiß das, denn Drachen wissen alles und kennen ihre Schätze sehr genau. Wenn du, Tamara, da unten, wo der blaue Edelstein liegt, mal in wenig buddelst, findest du alles."
Tamara sah nach und wirklich, ganz unten, neben einem wunderschönen Kelch, lag der Schlüssel. "Wir brauchen jetzt aber noch deine Spucke, lieber Drache", sagte Nik. "Würdest du bitte in diesen Kelch sabbern, damit sie lange glüht?"
Der Drache spuckte vornehm hinein und überreichte den Kindern den Kelch. In dem Moment gab es einen großen Blitz und beide Kinder verschwanden mit dem Kelch und dem Schlüssel.
Geblendet vom grellen Schein des Blitzes konnten Nik und Tamara zuerst nicht erkennen, wo sie sich befanden. Umso erleichterter waren sie deshalb, als Brunos freudiges Bellen zu ihnen drang und sie Augenblicke später in die erwartungsvollen Augen des Zipfelmützenmannes blickten. "Habt ihr sie?", fragte der Alte besorgt und atmete erleichtert auf, als er den Kelch mit der glühenden Drachenspucke in Tamaras Händen entdeckte.
Vorsichtig stellten die Kinder ihre Beute auf den Steinboden, direkt neben das magische Buch, und warteten ungeduldig auf weitere Anweisungen. Doch erst nachdem sie das Buch vorsichtig mit den Fußspitzen angetippt hatten, erwachte es wieder zum Leben.
"Huaahh", gähnte es ausgiebig und fuhr danach unwirsch fort: "Meine Güte, hat das aber lange gedauert. Habt ihr unterwegs einen Abstecher in die Disco gemacht?"
"Von wegen Disco", empörte sich Nik. "Während du hier dein Mittagsschläfchen gehalten hast, hatten wir alle Hände voll zu tun, um die Spucke zu besorgen. Also meckere gefälligst nicht rum, sondern erzähl uns lieber, wie es jetzt weitergeht."
"Eigentlich habe ich euch schon alles gesagt, was ihr wissen müsst. Aber nachdem ihr ja offensichtlich etwas begriffsstutzig seid, erklär ich es euch eben nochmals. Vorher muss allerdings etwas mit diesem mickrigen Kelch geschehen, den ihr da mitgebracht habt. Der ist viel zu klein für unsere Pläne."
Das Buch klappte mehrmals auf und zu. Nik, Tamara und der Zipfelmützenmann wichen erschrocken zurück, als mit einem lauten Knall ein Funkenregen aus den wirbelnden Seiten aufstob und sich langsam herabsenkte. Überrascht sahen sie, wie die winzigen glitzernden Stäubchen sich nacheinander auf den Kelch legten und dieser mit jeder Berührung ein Stückchen größer wurde. Als der Spuk vorüber war, stand ein riesiger Kessel vor den überraschten Zuschauern, in dem die Drachenspucke leise vor sich hin brodelte.
Im gleichen Moment sprach die vertraute Stimme aus dem Buch zu ihnen:
"Es gibt der Elemente vier,
das erste davon haben wir.
Doch wird das Feuer bald vergehen,
wenn wir es nicht mit Luft versehen.
Drum sputet euch, holt schnell herbei
Das Element mit Nummer zwei.
Ihr müsst, statt hier noch zu verweilen,
zur Welt der Wetterwesen eilen,
wo Donner, Blitz und Hagel hausen,
wo Regen fällt und Stürme brausen,
müsst suchen dort des Sturmes Horn,
doch Achtung: Fürchtet seinen Zorn!"
Das Buch klappte zu.
"Wir sollen das zweite Element bringen. Die Luft. Soweit ist alles klar. Aber was ist ‚des Sturmes Horn'?", grübelte Nik irritiert. "Ob das so eine Art Windmaschine ist?" Doch auch Tamara konnte sich absolut nichts darunter vorstellen und der Zipfelmützenmann drängte bereits energisch zum Aufbruch. "Ihr werdet die Antwort schon finden", beruhigte er die beiden Freunde. "Und vergesst dabei nicht, den nächsten Schlüssel mitzubringen."
Mit einem unguten Gefühl öffneten Nik und Tamara die sechste Tür und traten hindurch. Sofort verfing sich eine heftige Windböe in ihren Kleidern und trieb sie erbarmungslos vorwärts, grelle Blitze zuckten vom Himmel und fernes Donnergrollen ließ Schlimmes erahnen ...





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