Die verlorene Zeit

5. Fortsetzung von Andreas
Als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten, merkten sie, dass der Boden an manchen Stellen alles andere als fest war. Sie sahen sich umgeben von riesigen Lavaströmen.
"Zum Glück sind wir nicht in der Lava gelandet", sagte Mike erleichtert.
"Verschrei´s nicht, nachher wechselt sie noch die Richtung und fließt auf uns zu.!!", entgegnete Babs etwas ängstlich. Aber die Lava behielt ihren Weg bei, und so konnten sie gefahrlos weiterlaufen.
Die Gegend war gigantisch. Überall sahen sie Vulkane, Lavaflächen und Geysire, die zischend Wasser- und Dampffontänen ausstießen. Es gab sogar Seen, doch auch in ihnen muss es ziemlich heiß gewesen sein, was das Brodeln, Brutzeln und Dampfen des Wassers verriet.
Bald gelangten Mike und Babs an einen Berg.
"Komm, Mike, lass uns hochklettern, vielleicht finden wir dort ja etwas, das uns weiterhilft.", sagte Babs hoffnungsvoll. Also kletterten sie unter erheblichen Anstrengungen den Berg hinauf, und was sie da sahen übertraf all ihre Erwartungen. Sie standen direkt vor einer Stadt, oder besser gesagt vor einer Stadtmauer, hinter der sich aber unverkennbar eine Stadt befand.
Sie klopften an das Stadttor und zwei Wächter öffneten. "Was wollt ihr?", fragte ein sehr dicker Wächter mit einem Speer in der Hand.
"Wir wollen euren König sprechen!", entgegnete Mike.
"Ihr wollt also am Krisentreffen teilnehmen?", fragte der andere Wächter, ein dürrer Mann mit viel Bart und ebenfalls einem Speer in der Hand. Mike und Babs wussten zwar nicht von was er sprach, bejahten es aber. Also wurden sie eingelassen und auf den Marktplatz geführt, wo sich alle Einwohner der Stadt versammelt hatten.
Der König trat vor die Menge und sprach:" Schön, dass ihr so zahlreich erschienen seid. Obwohl der Grund für euer Kommen gar nicht schön ist. Wie ihr mitbekommen habt, war es gestern den ganzen Tag über stockfinster, und die meisten von euch wissen auch, was das zu bedeuten hat.
Unsere Prophezeiung besagt:
Beim ersten Dunkel im Jahr,
ist er schon ganz nah,
kann jeden Augenblick kommen,
ganz unbesonnen
Da helfen Waffen und Mauern nicht,
denn gegen ihn bist Du ein kleiner Wicht
Selbst wenn Du im Kampfe tapfer und groß,
stellt dieser Gegner dich bloß."
Ein Murmeln ging durch die Menge. "Aber es ist noch nicht verloren. Wir brauchen Freiwillige, die den Kampf mit der Bestie aufnehmen. Wer es schafft, sie zu besiegen, bekommt diese goldene Trophäe!", sprach der König weiter und hielt eine "goldene Fünf" in die Höhe.
Mike stieß Babs an: "Die Ziffer, Babs, die Ziffer, die wir brauchen!"
"O.K., es ist zwar verrückt, aber anscheinend die einzige Möglichkeit", entgegnete Babs achselzuckend. Sie riefen dem König zu: "Wir, wir beide nehmen es mit der Bestie auf!"
"Ihr?", fragte der König erstaunt darüber, dass es tatsächlich Freiwillige gab. Doch seine Verwunderung legte sich und er sprach: "Man gebe den beiden Mutigen Waffen und Rüstungen, damit sie gerüstet sind für den Kampf."

Mike und Babs bekamen jeweils eine Rüstung, ein Schwert, ein Schild und ein kleines Messer. "Zum Glück sieht uns keiner unserer Freunde in diesem Aufzug.", sagte Mike lachend als er sich betrachtete. Babs hingegen war es gar nicht zum Lachen zu Mute, wenn sie an ihren Gegner dachte.
Als Babs und Mike gerade das Stadttor hinauslaufen wollten, kam ihnen einer der Weisen entgegen und sagte: "Ich habe letzte Nacht in den Sternen gelesen, sie sagen, dass der Gegner nicht mit Schwert und Schild, sondern mit seiner glühenden Spucke kämpft. Ihr könnt ihn nur mit seinen eigenen Waffen schlagen!". Dann ging er weiter.
"Das kann ja heiter werden! Wir müssen gegen einen Drachen kämpfen", sagte Mike ziemlich verängstigt.
Sie verließen die Stadt, und das, was sie da sahen, ließ ihnen den Atem stocken. Ein Drache, an die zehn Meter hoch, stapfte langsam auf sie zu. Er hatte messerscharfe Zähne und aus seinem Mund tropfte glühender Schleim. Plötzlich spuckte der Drache und der Schleim flog direkt auf sie zu. Babs konnte gerade noch zur Seite springen und Mike duckte sich in letzter Sekunde.
"Was sollen wir den tun?", schrie Mike und schmiss sein Messer nach dem Drachen. Dieser bemerkte gar nicht, dass das Messer sich in seine Schulter bohrte. "Wir sollen ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen", rief Babs, " aber wie wir das anstellen sollen, weiß ich auch nicht!".
"Lava", kreischte Mike plötzlich, "wir locken ihn in die Lava!". Das leuchtete auch Babs ein. Sie rannten zu dem Drachen hin, zogen ihre Schwerter und hämmerten auf seine baumstammdicken Beine ein. Für den Drachen war es zwar nicht mehr als ein Juckreiz, aber er sah die beiden Kinder und ließ eine riesige Spuckbombe auf sie hinab. Sie konnten gerade noch rechtzeitig ausweichen und davonrennen. Der Drache rannte ihnen hinterher. Er wurde immer schneller, und als Mike und Babs an dem Lavasee ankamen, war er direkt hinter ihnen. Sie sprangen blitzschnell zur Seite und der Drache stürzte mit voller Wucht in den See. Lava spritzte in alle Richtungen. Mike und Babs rannten um ihr Leben, um von den glühenden Magmabrocken nicht getroffen zu werden. Plötzlich platschte etwas Lava direkt vor Babs Füße. Mike konnte sie gerade noch festhalten, dass sie nicht hineinfiel. Nachdem der Lavahagel erloschen war, sahen Mike und Babs vorsichtig zum Drachen hinüber. Er versank langsam in der glühenden Masse, lebte aber noch. Seine Schuppenhaut hielt der Hitze stand.
"Seine Schuppen sind dafür gemacht, ihn vor Hitze zu schützen", sagte Mike, "der überlebt das".
Doch da fiel Babs das Messer ein und sie rief:" Mike, dein Messer! Dein Messer steckt doch in seiner Schulter, dort ist die Schuppenhaut unterbrochen".
Plötzlich schrie der Drache auf. Er war nun bis zur Schulter eingesunken, und die Lava lief in seine Wunde. Der Drache schrie jämmerlich und versank vollends in dem Lavasee.
Da sprang das Stadttor auf, und der König, der alles aus sicherer Entfernung beobachtet hatte, kam mit seinem gesamten Gefolge auf sie zu. Gerade als er Mike und Babs die Ziffer übergeben wollte, ließ er die Trophäe fallen. Sie landete in dem dampfenden Spuckfleck vor Babs´ Füßen, und drohte zu schmelzen. Nur noch ein kleines Eck ragte hervor. Babs packte es und zog die funkelnde Ziffer heraus.
Sie hatten nun die "5" und die daran hängende Drachenspucke. Alles löste sich im Strudel auf und die beiden saßen wieder auf dem Dachboden des alten Hauses.

Überleitung von Astrid Nagel :

Sofort eilten sie zu Schillerauge, der neben dem Sessel kauerte, um Violet möglichst nahe zu sein.
"Schnell, wir brauchen ein feuerfestes Gefäß", scheuchte Mike ihn auf. "Beeil dich. Das Zeug ist echt heiß."
Widerwillig machte sich der Geist auf die Suche und kehrte kurz darauf mit einem alten, verbeulten Kochtopf zurück. Bevor die goldene Ziffer noch größeren Schaden nehmen konnte, streifte Mike die Drachenspucke, die daran klebte, am Topfrand ab. Gespannt beobachteten die Freunde, wie sich die zähflüssigen Rinnsale auf dem Boden des Topfes zu einem rotglühenden Klecks vereinten.
"Ist das alles?", fragte Schillerauge enttäuscht. "Sieht nicht gerade beeindruckend aus."
"Immerhin war es Teil einer gefährlichen Spuckbombe", empörte sich Mike. "Wir mussten dafür einen Monsterdrachen überlisten, während du hier seelenruhig vor dich hin geträumt hast."
"Hört schon auf zu streiten. Fragen wir lieber, wie es weiter geht", unterbrach Babs die beiden und brachte mit einem weiteren "Simbradadu" den Zeitkristall zum Sprechen:
"Ihr habt es gefunden, das heißeste Heiß,
verbindet es nun mit dem Ewigen Eis.
Zwei mächtige Pole zusammengebracht -
und schon ist vom Strudel der Anfang gemacht."
Noch bevor Mike oder Babs reagieren konnten, fing Schillerauge jämmerlich an zu quietschen: "Wagt es ja nicht, Violet anzufassen. Ich werde niemals zulassen, dass ihr sie in die Drachenspucke steckt."
"Das kommt mir allerdings auch etwas heftig vor", gab Mike zu bedenken. "Vielleicht genügt ja auch ein Teil. Violet, kannst du uns etwa von dir geben?"
Unter den besorgten Augen des Geistes zupfte sich die Eisfee ein weißes Haar aus und reichte es Mike. Dieser legte das hauchzarte, eiskalte Gebilde vorsichtig in den Kochtopf.
Im selben Augenblick, als Haar und Drachenspucke sich berührten, verschmolzen sie zu einer brodelnden, zischenden Masse, die sich durch die Kraft ihrer Gegensätze immer schneller im Kreis drehte und so einen winzigen Wirbel erzeugte.

"Nicht schlecht für den Anfang", staunte Mike. "Aber für den fiesen Zeitengeist sicher noch zu schwach. Sag schon, Zeitkristall. Was brauchen wir als nächstes?"
Dieser antwortete überrascht:
"Seid ihr schon zu weiteren Schritten bereit?
Wir brauchen als nächstes die Kraft aus der Zeit.
Drum geht in die Zukunft, sucht schnell dort ein Stück,
das unbekannt heute, und bringt es zurück."
Gespannt auf ihr nächstes Abenteuer, traten Babs und Mike vor den Spiegel. Wieder erfasste sie der unheimliche Sog und entführte sie in eine fremde Welt. Als sie ihr Ziel erreicht hatten und sich mit großen Augen umsahen, verschlug es ihnen vor Überraschung die Sprache: Niemals hätten sie gedacht, dass die Zukunft so aussehen würde...



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