Die verlorene Zeit

6. Fortsetzung von Moritz
Mike und Babs landeten auf einer grünen Wiese. Die beiden schauten sich überrascht um, denn um sie herum marschierten Tausende von Robotern in den verschiedensten Größen und Formen.
"Mike, wo sind denn hier die Menschen? Geistern hier nur solche Blechheinis umher? Sollten wir etwa einen dieser Gesellen mit zurück auf den Dachboden bringen?", fragte Babs.
Mike rappelte sich gerade noch auf und antwortete: " Du kannst einem vielleicht Löcher in den Bauch fragen. Bin ich denn Professor Allwissend?"
"Hör jetzt auf zu meckern! Wir haben schließlich etwas Besseres zu tun. Lass uns die Stadt erkunden", meinte Babs.
Und das taten sie auch. Die Straßen in dieser Stadt verliefen kerzengerade an luxuriösen Villen vorbei, welche auf Stahlstelzen standen, die bei Hochwasser oder einem Erdbeben von Nutzen sein sollten. Im Sonnenschein blitzten die Hauswände nur so, denn sie bestanden aus Stahl und Glas. Die Vorgärten der Häuser waren meistens in zwei Hälften geteilt, eine Liegewiese zum Faulenzen und einen Pool zum Abkühlen. In einem Garten sahen Mike und Babs wie vier Roboter einen Menschen durchs Wasser gleiten ließen.
"Jetzt schau dir das mal an, Mike. Es gibt hier also außer den Blechheinis doch noch menschliche Wesen!", rief Babs begeistert. Babs und Mike rannten gleich zu einem der Leute und fragten: " Wissen Sie zufällig, wo es eine Zahl 6 zu holen gibt?"
Auf einmal antwortete die eiserne Stimme eines dieser Blechkameraden von hinten: "Hier spricht Robo Nummer 6. Sie können mit diesen Menschen nicht sprechen, denn sie sind zu faul. Möchten Sie vielleicht ein Getränk?"
"Na, klar!", rief Babs durstig.
"He, Mann, hast du eine Schraube locker oder einen Knick in der Logik, Babs? Kann sein, die mixen uns noch was da rein und anschließend liegen wir hier auch so faul und bewegungslos herum!"
Da gab Robo Nummer 6 auch schon mit abgehackter Stimme das Kommando: "Fremdling namens Babs hat lockere Schraube. Vier Mann sofort zur Einsatzstelle! Abtransport zur Operation am Laufband 6."
Mit diesen Worten verformte er sich zu einer Trage und Babs wurde von den vier Robotern in Windeseile geschnappt und auf die Liege gefesselt. Mike verschlug es die Sprache, denn ehe er noch ein Wort herausbringen konnte, waren die Blechwesen mit Babs in einem Transmitter verschwunden.
"Oh, nein!", stöhnte Mike verzweifelt. "Noch keinen Auftrag erledigt und jetzt auch noch das!"
Nach kurzer Überlegung hatte er die Idee und sagte ganz laut: "Bei mir ist eine Schraube locker!"
Da erging es ihm wie seiner Freundin und tatsächlich, er landete wie Babs am Fließband Nummer 6. Verschiedenste Greifarme waren gerade dabei die gefesselte Babs auf das Band zu befördern und die gelockerten Schrauben zu suchen. Fieberhaft überlegte Mike. Da hatte er, Gott sei Dank, die rettende Idee. Er zog seine Trinkflasche aus der Hosentasche, sprühte alle Greifarme nass, die sofort zu rosten begannen, und legte sie damit lahm. Sie bewegten sich keinen Millimeter mehr, denn das Wasser hatte sich hier in der Zukunfts-Zeit so verändert, dass es Eisen in Sekundenschnelle zerfraß. Gleich darauf lösten sich auch die Fesseln, die Babs festhielten, auf.
Voller Freude fielen sich die beiden in die Arme. "Das war ja ganz schön knapp! Aber jetzt müssen wir nach draußen! Folge mir!", rief Babs.
Bevor die beiden auf das Laufband stiegen und sich zum Transmitter fahren ließen, der auch die Roboter zu ihrem gewöhnlichen Stammplatz beförderte, schnappten sie sich die Bandziffer 6. Und schon ging es los.
PSCHSCHSCHSCHSCH!
Gleich darauf waren Mike und Babs wieder am Ausgangspunkt auf der Wiese zwischen den blitzenden Häuserwänden.
"Und was machen wir jetzt?", fragte Mike Babs.
"Ich würde vorschlagen wir suchen etwas, das uns wieder zurück zu Schillerauge in die Dachkammer bringen kann", meinte Babs nach einer Weile.
Die beiden liefen los. Im Laufen bestaunten sie die riesigen, fast 200 Meter hohen Häuser. Auf einmal zuckte ein kleiner, greller Blitz in einem der Fenster. Kurz darauf gab es eine kleine Explosion.
"Was war das?", fragte Mike erschrocken. "Lass uns einmal nachsehen!" Und sie stürmten in das Gebäude durch eine offene Seitentür. Grünes Licht erhellte die Gänge, aber nur schwach. Am Ende eines langen Flures rumorte etwas in einem Zimmer. Als sie eintraten schreckte ein alter Mann hoch, der in einem komischen Ei saß und an Schaltern und Kabeln herumwerkelte.
"Was ist denn jetzt passiert? Ich bin immer noch in meinem Labor, aber ich muss in der Vergangenheit sein, denn hier gibt es keinen Menschen mehr außer mir, der sich noch selbst bewegt ohne die Hilfe von Robotern", sagte der alte Erfinder verwundert.
Mike und Babs erzählten ihm die Geschichte und er hörte ihnen aufmerksam zu.
"Ihr sucht noch einen Zukunftsgegenstand? Da kann ich euch helfen. Wie wäre es mit so einem kleinen Roboter dort auf dem Regal?"
"Roboter gibt es bei uns auch schon, das wäre ja nichts Besonderes bei uns", riefen die beiden.
"Aber selbstverständlich ist das etwas ganz Besonderes, denn hier handelt es sich nicht um einen gewöhnlichen Roboter. Er kann nämlich jede beliebige Form annehmen."
Der Professor stieg aus seiner Zeitreisemaschine, diesem komischen Ei, schnappte sich den kleinen Blechkameraden und schaltete ihn an seinem roten Knopf aus. Den übergab er den Kinder. Schnell reparierte er den Kurzschluss am Zeitreise-Ei. Dann rief er: "Los, steigt ein! Das Zeitei bringt euch zurück." Nach 10 Minuten waren sie auf dem Dachboden gelandet.

Überleitung von Astrid Nagel :

Kaum hatten Mike und Babs das Zeitreise-Ei verlassen, entschwand es lautlos durch den magischen Spiegel. Leises Schluchzen empfing die Freunde in der Gegenwart. Ängstlich sahen sie sich um. Hatte sich in ihrer Abwesenheit etwas Schreckliches ereignet? War dieser grausige Zeitengeist etwa zurückgekehrt?
Doch es war nur Violet, die wimmernd in dem Sessel kauerte, während ein vollkommen aufgelöster Schillerauge sich verzweifelt darum bemühte, die kleine Fee zu trösten.
"Sie hat Heimweh", stammelte er traurig, als sich Mike und Babs zu den beiden gesellten.
"Dann sollten wir sie nach Hause schicken", schlug Babs voller Mitgefühl vor. "Schließlich haben wir das der Eisfeenkönigin auch versprochen."
Schillerauge nickte traurig und eine durchsichtige Träne kullerte über seine fahle Wange. "Ich werde sie begleiten, damit ihr nichts geschieht."
Behutsam griff er nach Violets winziger Hand und schwebte mit ihr durch den magischen Spiegel.
"Hey, komm schnell wieder zurück", konnte Mike ihm noch empört nachrufen. "Wir brauchen dich hier!" Dann wandte er sich mürrisch an Babs: "Bei dem Kerl ist echt ne Schraube locker. Das bestätigt mal wieder meine Theorie, dass Liebe jedem das Hirn vernebelt. Mir wird so was jedenfalls nie passieren."
Energisch schob Babs ihn in Richtung Zeitkristall. "Ist auch sehr unwahrscheinlich, dass sich jemand in dich verliebt", hänselte sie grinsend. Bevor Mike etwas erwidern konnte, weckte Babs den Zeitkristall und streckte ihm stolz den kleinen, verwandlungsfähigen Roboter aus der Zukunft entgegen.
"Ein Stück aus der Zukunft! Ihr habt es erreicht!
Und sicherlich war dieser Auftrag nicht leicht.
Doch fehlt uns zur Nutzung, das wisst ihr ja wohl,
auch diesmal ein wirksamer Gegenpol.
Wir brauchen ein Stück der Vergangenheit,
für Menschen verloren seit langer Zeit.
Die siebente Welt führt euch dorthin zurück,
beeilt euch und sucht nach dem fehlenden Stück."
"Hast du kapiert, was der Typ genau von uns will?", brummte Mike, während er seiner Freundin zum Spiegel folgte. "Ich glaube schon", antwortete Babs und berührte gleichzeitig den mit Sieben gekennzeichneten Stein. "Wir sollen aus der Vergangenheit etwas mitbringen, das es heutzutage nicht mehr gibt. Jetzt bin ich nur gespannt, in welcher Zeit wir landen werden. Im Mittelalter? Oder sogar bei den Steinzeitmenschen?"
Wieder erfasste der magische Wirbel die beiden Freunde mit seiner unglaublichen Kraft und entführte sie in ferne Zeiten ...


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